SPIEGEL DER SEELE ?

Die Fragestellung ist geblieben,
seit die Griechen Kunst betrieben:
Ist das Gesicht der Seele Spiegel,
oder steh’n dazwischen Riegel ?

Ist schon am Haupte abzulesen
eines Menschen Art und Wesen;
können Ohr’ und Nase künden,
ob dort Seelenkräfte münden ?

Verrät auch die Struktur der Ohren,
was dem Menschen angeboren,
was die Gene ihm diktierten,
in garnierten und blamierten ?

Erzeigt ein Edler edle Züge,
damit er nicht das Licht betrüge -;
verrät ein Schurke seine Macken,
durch typische Verbrecher-Backen ?

Der hohen Geister edle Kräfte,
verachten Geld- und Bankgeschäfte.
Je irdischer ein Mensch geraten,
je mehr wird er zum Teufels-Braten.

Des Teufels Scheiße ist das Geld,
das alle Welt zum Narren hält.
Und Banker, jene Geld-Verwalter,
zitieren aus des Teufels Psalter.

Steht ihnen ins Gesicht geschrieben,
was sie zu dem Geschäft getrieben ?
Die Frage lautet klar und nackter:
Liest sich aus Zügen der Charakter ?
 
Die Kunst der Menschenkenntnis lehren auch die modernen Gesichtsanalytiker.  Wer mit Menschen umgeht, braucht Menschenkenntnis. Viele Konflikte und Enttäuschungen im Privat- und Berufsleben entstehen durch eine Fehleinschätzung von Personen. Seit Jahrtausenden versuchen Gelehrte aller Kulturen, die Wesenszüge der Menschen an bestimmten Körpermerkmalen zu erkennen. Heute wird das von Fachseminaren „Face Reading“ genannt, wo die Grundregeln der Menschenkunde gelehrt werden, des Gesichtsausdruckes, der Kopfform und Phrenologie, was Nase, Mund und Ohren verraten und die Augen als Spiegel der Seele. - Bild: In der Villa des Geldwechslers, Versteigerers, Bankiers und Tuchhändlers Lucius Caecilius Iucundus zu Pompeji fand sich die Bronzebüste ihres Besitzers, dem Sohn eines freigelassenen Sklaven. Da die letzten erhaltenen Quittungen in der Truhe des Iucundus wenige Tage vor dem Erdbeben datiert sind, das in Pompeji am 05.02.62 v.0 große Schäden anrichtete, kam er wohl dabei ums Leben.
 
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Am 3. und 5. Juli 1875 wurde das Haus des Lucius Caecilius Iucundus (lat. „der Erfreuliche“) unter der Leitung von Giuseppe Fiorelli ausgegraben (Regio V, 1, 26). Dabei fand sich sein calendarium, also ein hölzerner Kasten zur Aufbewahrung von wichtigen Dokumenten im Gang oberhalb des Peristyls. Im calendarium befanden sich 151 hölzerne Tafeln, teils zweiflügelig (Diptycha) und – mehrheitlich – dreiflügelig (Triptycha). Die Tafeln sind zwischen 10 und 14,5 cm breit und ca. 7 cm hoch. Die ursprüngliche beschriftete Wachsschicht war zwar nicht mehr erhalten, der Griffel, mit dem die Täfelchen beschriftet waren, ritzte aber das darunterliegende Holz an, so dass die Wörter, Zahlen und Buchstaben erkennbar sind. Der Inhalt der Tafeln wurde zuerst in Italien 1876 publiziert, 1877 mit Kommentar von Theodor Mommsen im Hermes. Karl Zangemeister veröffentlichte sie im Supplementband I zum Band IV des Corpus Inscriptionum Latinarum. Zwei weitere Tafeln wurden 1887 in einem Haus der Regio VIII, 2, aufgefunden, so dass insgesamt 153 Tafeln bekannt sind. 59 davon sind datiert, der Zeitraum der Ausstellung der Quittungen erstreckt sich mit Ausnahme zweier Tafeln von 52 bis 62. Eine stammt aus dem Jahr 15 und ist auf den Namen des Vaters von Iucundus ausgestellt.
 
Der Inhalt der Tafeln
 
Die Tafeln sind Quittungen über bestimmte Geldbeträge und Zahlungsfristen aus unterschiedlichen Rechtsgrundlagen. Iucundus betätigte sich zunächst als Handelsbankier und später als coactor bei den Steuereinnahmen. Die Beträge wie auch die Fristen sind unterschiedlich, sie reichen von 342 bis 38.079 Sesterzen und von wenigen Tagen bis zu zehn Monaten. Die Gegenstände bei den Quittungen, die Kaufverträge betreffen, sind ebenfalls höchst verschieden, beispielsweise Baumwolle, Sklaven oder Esel. Bis zum Jahr 57 lautete eine Formel beispielsweise:
 
„2000 Sesterzen. L. Titus hat bestätigt (dixit), daß er diese Summe, die [dem Käufer] versprochen war, laut Stipulation von L. Caecilius Iucundus für eine Auktion des L. Titus am 1. Februar voll erhalten hat, abzüglich der Kosten des L. Caecilius Iucundus von 2 %. Gegeben zu Pompeji, am 15. Tag vor den Kalenden unter dem Konsulat des L. Drusus und P. Clodius.“
Iucundus zog seinen Gewinn hierbei aus den Gebühren, die er dafür erhob, dass er dem Käufer das Geld vorstreckte und es dem Verkäufer sofort zur Verfügung stellte. Ab 57 ändert sich die Formel. Anstelle des dixit tritt scripsi:
 
„Ich, L. Titus habe geschrieben (scripsi), daß ich die Summe von 6252 Sesterzen für einen Verkauf aus den Händen des L. Caecilius Iucundus erhalten habe, abzüglich der Kosten, nachdem ich die Quittung überprüft habe.“
 
Die ältere Form der Quittung wird vom Typ als perscriptio, die andere als chirographum bezeichnet. Oft treten Sklaven als Zeugen oder Unterzeichner auf, die für ihre Herren die Geschäfte tätigen. Weil diese auch griechisch beherrschten, sind einige Quittungen in griechischer Sprache verfasst.
 
Iucundus gab die Tätigkeit als Bankier anhand der Quittungen wohl in den späten Jahren fast ganz auf und trat weit überwiegend als coactor der Kolonie und der Steuereinnehmer in Erscheinung. Iucundus quittierte für verschiedene Steuerarten, städtische Pachtzinsen für Land (avitum et patritum), Pacht für eine Walkerei (fullonica), Pacht für Weideland (pascua) und Standgebühren für Marktteilnehmer (mercatus) wurden von ihm quittiert. Einen Teil seines Gewinnes zog er wohl daraus, dass er den Steuereinnehmern gegen Zinsen Zahlungserleichterungen verschaffte.
 
Literatur
Theodor Mommsen: Die Pompejanischen Quittungstafeln des L. Caecilius Iucundus. In: Hermes. Band 12, 1877, S. 88–141 (online). Karl Friedrich Wilhelm Zangemeister (Hrsg.): Inscriptionum parietariarum Pompeianarum supplementum. Pars I. Tabulae ceratae Pompeis repertae annis MDCCCLXXV et MDCCCLXXXVII (=Corpus Inscriptionum Latinarum. Volumen IV, supplementi pars I). Reimer, Berlin 1898 (online).Arno Hüttemann (Hrsg., Übers., Komm.): Die pompejanischen Quittungstafeln des Lucius Caecilius Iucundus. Lateinisch / Deutsch. WBG, Darmstadt 2017.