Die 15 - - Lichtzahl - Allzahl
Die dt. Maßeinheit „Mandel“ meint 15 Stück, von Mande / Mond abgeleitet. Sprachlich bedeutet es ein „Möndchen“, d.h. die Zahl eines halben 30-tägigen Monats. Der Römer Zosimos, ein heidnischer Historiker des 5. Jh. n.0, gebrauchte das Gleichnis vom Auf- und Abstieg über die jeweils 15 Stufen von Licht und Finsternis.64 Es handelt sich also wiederum um ein Zeit- und Kreislaufsymbol, aber die 15 spricht auch vom Höhepunkt der Mondmacht. Sie gilt als Vollmondzahl, was durch ihre QS 6 zur Gewichtung einer vollen, runden Größe beiträgt.
Ein weiterer Hinweis auf ihren Charakter als Vollkommenheitsziffer ist, dass sie sich aus der mütterlichen 7 (B) und väterlicher 8 (T) addiert. Wohlweislich besitzt das Tarot insgesamt 78 Karten. Dies weist auf den hermaphroditischen Hermes Trismegistos hin, oder den röm.-gallo-germ. Mercurius (Teutates-Wodin), an den sich ein griech. Zauberpapyrus (P. VIII 44 ff) wendet: „Das ist dein Name, das Wort der 15 Buchstaben, das die Zahl seiner Buchstaben nach den Tagen des zunehmenden Mondes hat ...“ Mit den 15 Buchstaben sind die Gestalten und Namen der 15 Tage des sich füllenden Mondes gemeint, sie entsprechen den 15 Treppenstufen im Tempel zu Dendera/Ägypten, die zum thronenden Gott des Vollmondes empor führen. Der geglaubte antike Weisheitslehrer Hermes-Trismegistus hatte die Quintessenz seiner Erkenntnis in 15 Punkten auf eine Tafel aus grünem Korund niedergeschrieben, die Tabula Smaragdina. Der Text stellt die Verbindung und Gleichwertigkeit von Mikro- und Makrokosmos dar. Es wurde gesagt, dass demjenigen der den Sinn der Tafel begreift, alle Weltweisheiten offenbar würden. 15 ist schon die hl. Zahl, der im Rigveda große Bedeutung beigemessen wird. 15 Götter zählt das ind. Pantheon zumeist. 15 Tage benötigt Feuergott Agni, um den Wald zu verzehren, nachdem Indra dessen Verteidigung aufgegeben hatte. Auch Indra hat enge Beziehungen zur 15. „Indra wünscht nicht, durch die 5 und die10 aufzusteigen“, heißt es. Im Mundaka-Up. lesen wir, dass beim befreiten Menschen „die 15 Glieder zu ihrem Urgrund zurückkehren“. (Jean Herbert, Indischer Mythos als geistige Realität, Mü., 1953, S.84)
Die 16 - , - Dioskurische Zwillingsganzheit
Aus der Potenzierung der 4 Grundstoffe (Elemente) des Alls geht die 16 hervor (4x4=16). Da 4 als erste rein weibliche Zahl betrachtet wurde, galt die 16 als „Erfüllung des Frau-Prinzips“. Sie wurde in unterschiedlichsten Kulturkreisen als Vollkommenheitszahl betrachtet.65 Im alten Ägypten, in dem ja die Erde nicht als Mutter sondern als Mann (Erdgott Geb und Himmelsgöttin Nut) versinnbildlicht wurde, galt die 16 als „Herrenzahl“. Die zahlengeschichtlich vermischten männlich-weiblichen Züge, machten die 16 auch zur androgynen Zwitterzahl.
16 Weltgegenden (bei Verdoppelung der Windrose) weisen auf das weitere Rund des Himmelskreises hin. Arithmetisch ist die 16 auch 2x8. Das würde bedeuten, dass mit zweimal 8 (T) des Himmelsvaters Abspaltungsformen, seine dioskurischen Zwillingssöhne, gemeint sind. Da sie als Erscheinungsformen der sich in der Stoffwelt manifestierenden Zeit (Welt-Jahr) galten, liegt mit deren Gesamtzahl 16 und der stofflich-weiblich gewichteten QS 7 mythologische Stimmigkeit vor. Diese Anschauung könnte dadurch zum rituellen Ausdruck gelangt sein, dass der dem germ. Alki-Kultheiligtum vorstehende Priester weibliche Gewandung trug. (Germ. 43) Die beiden Alki-Dioskuren traten regelmäßig in Triaden mit der von ihnen umworbenen Frau oder Göttin auf; sie bildete eigentlich den mythischen Schwerpunkt. Interessant ist, dass schon zur babylon. Ischtar der 16-strahlige Stern gehörte. (Alfred Jeremias, Handbuch der altoriental. Geisteskulur, 1929, S.266)
In alten nord. Brettspielen spiegelt sich der mythische Grundsinn, nämlich der Weltkampf zwischen hellen und dunklen Parteien um den Bodenbesitz des Spielbrettes als dem Sinnbild der irdischen oder kosmischen Mutter. In den eddischen „Heidreksrätseln“ (31) lautet eine Frage: „Wer sind die Degen, die zum Thing reiten, ihrer 16 zusammen sind?“ Die Antwort: „Das sind Itrek und Andad im Brettspiel.“ Zwei dichterisch-vielsagende Männernahmen hat man auf die führenden Spielfiguren übertragen: Itrek („Ausgezeichneter“), von altn. itr- („ansehnlich / stattlich / ausgezeichnet“); Andad („Unhold / übler Gegner / Totengeist“), von andaðr („ausgehaucht haben / tot“). Die 16 zeigt sich mithin als die Zahl der von positiven und negativen Wechselkräften beeinflussten Allmutter.
Die 17 - - Vatergöttliche Glückszahl
Die 17 spielt im Mondumlauf eine beachtenswerte Rolle. 17 Tage vergehen von der Erscheinung letzter sichtbarer Mondsichel bis zum neuen Vollmond, und ebenso vom Vollmond bis zum ersten Wiedererscheinen der Neumondsichel nach dem Schwarzmond. Bisweilen erscheint sie schon nach 16, doch nach 17 Tagen kann man mit Sicherheit darauf rechnen. So ist die 17 geeignet das wonnige Erlebnis der Lichtwiederkehr zu versinnbildlichen.
17, bestehend aus 1 und 7 mit QS 8, spricht vom erdmütterlichen Heil, aus dem die wonnige 8 des Vatergottes hervorgeht. Der vedische Schöpfungsvater wird als „Siebzehner“ bezeichnet. Es heißt, „durch Anwendung der Zahl 17 gewinnt man den Prajapati“.66 Im Islam spekulierte man, dass der größte Name Gottes aus 17 Buchstaben bestünde, und ein mittelalterlicher Historiker Ägyptens erwähnt die 17 als Glückszahl.67
Die 18 - - Kraftvolle Sonnenreife
Die Bhagavad-Gita, das altindische Hohelied der tätigen Gottesliebe, umfasst 18 Gesänge. Es ist ein philosophischer Dialog, in welchem Krishna - die Inkarnation der schöpferischen lichten Urkraft Vishnu - die höchsten Fragen über Gott, Welt und Seele beantwortet. Die Zahl 18 hat im Hinduismus eine besondere Bedeutung: Ein Werk - geteilt in 18 Glieder - ist ein komplettes, ausgeschöpftes, perfektes Werk.
Eine gleichlautende Bedeutung maß auch der Runenschöpfer seinem 18. Zeichen zu. Die 1 und die 8 verweisen auf Urmutter und Himmelsvater, aus denen des All-Elternpaares Sonnenprodukt herangereift ist. Mit der QS 9 (1+8) entspricht die Zahl jener des sonnigen Erlösersohnes (S). Als ein Gewordenes aus 3x6 darf sie die höchsten Ehren und glückverheißende Bedeutung für sich in Anspruch nehmen. Mit 18 Jahren findet nach alter Tradition die Entwicklung des jungen Menschen einen gewissen Reifeabschluss. So kommt auch aus dieser Sicht der Aspekt einer kraftvoll-gesunden Vollendung hinzu.
Die 19 - - Urmutter-Zeit
Zahlenmythologisch rechnet sich die 19 mit QS 1 zur Urmutter, bzw. dem androgynen Ur-Es, welchem Mondmotive nahestehen. Interessanterweise entspricht auch in arabischer Tradition der Zahlwert 19 dem Wort wahid („eines / einer“). Der kosmische Anschauungsunterricht demonstriert es in Gestalt des Metonischen Mondzyklus: aus der 19 wird die 1, denn nach 19 Jahren fallen alle Mondphasen wieder auf dieselben Wochentage des Sonnenjahres. Im Jahre 432 v.0 fand der Athener Meton das gebundene Mondjahr, eine Verbindung von Mond- und Sonnenjahr, indem er eine Periode von 19 Sonnenjahren = 235 Mondmonaten einführte, und zwar 12 Jahre mit 12 Monaten und 7 Jahre mit 13 Monaten. Von den 235 Monaten hatten 110 eine Dauer von 29 Tagen und 125 von 30 Tagen. Nach 19 Jahren fallen dann die Mondphasen wieder auf dieselben Monatsdaten. Deshalb gilt die 19 als „Goldene Zahl“ der Zeitrechnung. Beide Zahlenmetaphern, 7 (B) und 19 (K), die die „rechte Zeit“ verkörpern, stehen als Repräsentanten der Großen Mutter in deren Aufstiegs- und Abstiegstendenzen: in FG (B) und HG (K) (vgl. ODING-Jahrkreis Abb. 7).
Im Kult der kelt.-irischen Hauptgöttin Brigit ist das von einer Weißdornhecke (der Großen Mutter heiliges Gehölz) umgebene rituelle Feuer von 19 geweihten, weißgewandeten Frauen (Nornen, Nonnen) gehütet worden. Jedem männlichen Wesen war Zutritt bei schlimmster Strafe untersagt. Aus all dem spricht die Sinnverknüpfung eines Mond-Mutter-Feuerkultes.68 Nach verblüffend oberflächlicher Christianisierung erfolgte der beschriebene Brauch im Kloster Kildare/Irland (Cill Dara d.h. „Eichenkirche") bei der Namensgeberin dieser Stätte, einer damals schon uralten, bis ins 10. Jh. verehrten und gepflegten Eiche.
Die 20 - - Reiserichtung und Gericht
Der Begriffswert der R-Rune heißt „Wagen“ und damit zugleich auch „Reise“. Die 20 weist Bedeutungsgleichheit mit der polaren 2 (D) des Himmelsgottes auf, der identisch ist mit Dios-Zeus-Tiu-Tyr (T) dem Wagengott. Doch 20 bedeutet auch 2x10, und 10 (die Algiz-Rune Z) steht für die zwei Himmelsvater-Söhne, die germ. Alki. Ihre Entsprechungen, die arioind. Aśvin, galten als geschickte Wagenlenker, die in ihrem Gefährt über den Himmel brausten. Die altind. Wagenrennen standen ebenso auch unter ihrer Schirmherrschaft, wie die griech. Olympischen Spiele unter dem Mitpatronat der gleichartigen griech. Anakes-Dioskuren (den Rosseherren Kastor und Pollux) standen. Die 20 steht also zunächst für die Polarität des Auf und Ab eines mythischen Wagenrennens im übertragenen Sinne. Ob die Fahrt ins Heil oder Unheil führt entscheidet, alter Auffassung gemäß, die himmelsväterliche Schicksalsgottheit. So kommt der Aspekt des Gerichtes und des Gerichtetwerdens hinzu. Im Spannungsbogen zweier Möglichkeiten bewegt sich ebenso jede Rechtsprechung: Verurteilung oder Freispruch.
Die 20. Karte im Tarot heißt das „Gericht". Ihr Bild zeigt traditionell eine Szene des Jüngsten Gerichts: wenn der Erzengel die Trompete zum letzten Male bläst und die Toten sich aus ihren Gräbern erheben. Beim Totengericht und dem Letzten Gericht am Weltende handelt es sich um Vorstellungen die dem Christentum aus iranischen und ägyptischen Mythen zuwuchs. Die Zahl 20 erinnert an die beiden Seiten des Welt- und Schicksalsvaters: Er vermag Tage des Lohnes und solche des Schreckens zu bescheren. Eine Reise beginnt dann allemal, entweder in die Erhöhung und Verklärung oder in die Niederungen der Schuldzuweisung und Verwerfung.