Die Zahl 3 - (i)ng / , , - Feuer - Geist - „Sonne“
Die 3 bedeutet das Eine (1) zusammen mit dem Anderen (2), also der Ergänzung zur Vollkommenheit. „Die Triade ist die Zahl des Ganzen, insofern sie einen Anfang, eine Mitte und ein Ende hat.“ So formulierte es Aristoteles. Die 3 ist ganzheitlich, allumfassend: die dreigeteilte Natur der Welt: Himmel, Erde, Unterwelt; sie ist der Mensch als Körper, Seele Geist; Geburt, Leben, Tod. Sie ist die Zeit: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft; die drei Mondphasen; das zeitlich abrollende Schicksal, die griech. Moiren, die in Gestalt von Moira drei-in-einem sind, die germ. Nornen: „Urd, Verdandi, Suld“; in der indogerm. Wurzel tr (ahd. dri, got. thria) liegt der Grundbegriff eines fortlaufenden Seins. Die 3 führt die aus sich hinaustretende urmütterliche Einheit, die zu einem zwiefachen Zweiten wird, der in gleichgewichtiger Spannung verharren müsste, in einer dritten Natur wieder mit sich zusammen. So ist nach Thesis und Antithesis die Synthesis, die 3 der wahre Mittler zwischen Himmel und Erde. 3 Größen gehören untrennbar zusammen: der zeugende Geist, der gezeugte Gedanken, das aus Geist und Gedanken geborene Geschöpf. Alle 3 sind eins, denn sie sind nur ein und dieselbe Kraft. Die 3 ist die Zahl, die der Gottheit Wirken in der Welt ausdrückt. (E. C. Endres, „Die Mystik und Magie der Zahlen“, 1977, S. 25) Der Punkt ist das Symbol des Urseins; der Kreis (in Ritzform: ), die Ausdehnung des Punktes, ist Sinnbild der in der Schöpfung sich offenbarenden trinitarischen Gottheit. So passt in diese Verständnisweise, wenn Laotse (6. Jh. v.0) lehrt: „Die 1 erzeugt die 2; die 2 erzeugt die 3; die 3 erzeugt alle Dinge !“ So wird verständlich, dass das Feuer nicht allein im Abendland immer Sinnbild der alles verzehrenden Glut des Geistes und des göttlichen Lichtes (von der Lichtmetaphysik des Heidentums über die Patristiker (Alte Kirche vom 1. bis 7./8. Jh.) bis in die Mythologie der „Aufklärung“ geblieben ist.
Das kreisrunde in Großsteintechnik errichtete Sonnenheiligtum Stonehenge / Südengland beeindruckt durch seine 30 monumentalen Torbögen. Es wurde vor ca. 4.800 Jahren angelegt und vor 3.560 Jahren in die noch heute erkennbare - auf den Aufgangspunkt des höchsten Sonnenstandes zur SSW ausgerichteten - Form gebracht. Der arioind. Sonnengott Surya besitzt 3 Augen. Vielleicht wurde diese „Sonnenzahl“ auch durch die Naturerscheinung des Sonnenhalos mitbestimmt, bei dem oft zwei Nebensonnen erscheinen. Dies geschieht, wenn Sonnenlicht in der Atmosphäre durch die hexagonalen Eiskristalle gebrochen wird. Im alten Iran hat man die 3 Schöpfungen auch die „drei Lebenskreise“ genannt. Sie sind rein geistig und bestehen aus „lebendigem Licht“, daher stammt auch der Begriff des „dreifachen Lichtes“. Das 3. Licht, der erhabene Glanz von Sonne und Mond, galt in der mandäischen Dogmatik als der erlösende Lichtsohn. (M. Lochbrunner, „Dante und der Orient“, in „Symbolon - Jahrbuch für Symbolforschung“, Bd. 7, 1968, Basel, 1971) Dreiwirbel bzw. Triskelen als Lichtsymbole finden sich auf nordischen bronzezeitlichen Felsbildern und Rasiermessern (z.B. Mehlbek/Kr.-Steinburg). Auf der Rückseite eines Aureus (Münze) des gall. Gegenkaisers Postumus (Prägung der Münzstätte Köln, ca. i.J. 260) ist ein dreiköpfiger „Sol Invictus“ dargestellt. (nach „Kölner Römer-Illustrierte“, 1974, S. 62) Ebenso findet sich auf Mithräen-Reliefs der dreiköpfigen solare Mithras. Drei eherne vergoldete Bildnisse („imagines“) standen in der als heid. Kultstätte gebrauchten Kapelle der Aurelia zu Bregenz. (Karl Helm, „Altgerm. Religionsgeschichte“, Bd. II, 1953, S. 185)
Göttliche Wirkung ersehen wir darin, dass gesunde Entwicklungen in Dreierperioden ablaufen - „aller guten Dinge sind drei“: Anfang-Mitte-Ende, Kindheit-Erwachsensein-Alter, Knospe-Blüte-Frucht - und dass sich das Leben als ein solcher Drilling fortlaufend weiterdreht. Die 3-Zahl, kombiniert mit der graphischen Darstellung der Drehung, der Spirale, ist im Symbol des heiligen Drillings die immer wiederkehrende nordeuropäische Gottes-Chiffre, auch in der steinzeitl. Nekropole New Grange/Irland, die um 3.150 v.0 errichtet wurde (Abb. 51). Etliche Funde belegen dreiköpfige altgläubige Gottheiten in vielerlei Darstellungen. (W. Kirfel, „Die 3-köpfige Gottheit“, 1948) Die Trimurti („Dreiheit“) im Hinduismus umfasst: Brahma (Schöpfer), Wischnu (Erhalter) Schiwa (Zerstörer); dargestellt als Menschenkörper mit 3 Köpfen u. 6 Armen. In den uns bekannten Religionen vereinten sich häufig mehrere Götter zu sog. Götterfamilien, bestehend aus Vater, Mutter, Sohn. Beispielsweise die summerische Urkräfte: Anu, Enlil, Ninurta, die ägypt. Triaden Amun, Mut, Chons von Theben, oder die Totengötter Ptah, Sokar, Osiris. Nach der Amarna-Zeit hieß es: „Drei sind alle Götter: Amun, Re und Ptah, keinen gibt es ihresgleichen. Verborgen ist sein [Gottes] Name als Amun, als Ra wird er wahrgenommen, sein Leib ist Ptah. Ihre Städte auf Erden bleiben immerdar: Theben, Heliopolis und Memphis, bis ans Ende der Zeit." Alle anderen Götter galten nur noch als Aspekte dieser Trinität. Jeder der drei verkörpert ein Grundprinzip (unsichtbare Urenergie, Sonne, Körperlichkeit), das die göttliche Existenz des Weltlebens ausmacht: das unsichtbare Gottesprinzip Amun, der als „Verborgener" galt. In seiner ursprünglichen Eigenschaft war er Gott des unsichtbaren Lufthauchs, des Windes, Lebensenergie, der den Lebensodem spendet. Dann der sichtbare Aspekt des Göttlichen, Ra, zeigt sich täglich in der Erscheinungsform der Sonne, ohne die Leben und Fruchtbarkeit unmöglich sind. Und Ptah versinnbildlicht als „Bildner" das Prinzip der Formgebung, der Schaffung all der mannigfachen, unendlich differenzierten Körper und Gebilde der Schöpfung. In diesem Sinne ist er der „Leib" des Göttlichen. Die wichtigste ägyptische Triade bestand aber aus: Mutter Isis (Schutzgöttin), Vater Osiris (Universalgott und Herrscher der Unterwelt) und Sohn Horus (Himmels-, Königs- und Lichtgott). Die Römer hatten ihre Kapitolinische Trias: Zusammen mit „Iupiter Optimus Maximus“ wurden im Tempel auf dem Kapitol Juno und Minerva als Schutzgötter des Staates verehrt. Ein röm. Verseschmied Lukans Pharsalia, nannte die kelt. Triade: Esus, Taranis, Teutates. Der altn. Glaube (Gylf. 5) schrieb dem Búri (altn. „Erzeugevater“) drei welterschaffenden Söhne zu: Wodan (Oðin), Wili, We (Wut, Wille, Weihe) bzw. (Gylf. Kap. 6) die Göttertrias: „Hárr, Jafnhárr, Thiði“ („Hoher, Ebenhoher, Dritter“). Die eddische Völuspa (17f) bezeichnet die Göttertrias: Odin, Hönir, Loðurr; in Snorris Poetik (Skalds. 37): Odin, Hönir, Loki. Im hochmittelalterlichen Heidentempel zu Uppsala/Schweden beschrieb Adam v. Bremen (1050-1081/85) drei Götterstatuen: Thor, Wodan, Frikko. Die baltenländischen hochgewachsenen, blonden Pruzzen hatten einen Naturglauben, an dessen Spitze der Hierarchie die drei Hauptgötter standen: Perkunos (rotbärtigen Donnergott = Thor), Patrimpe (mit Getreideähren Geschmückter = Freyr) und Pekollos (düsterer Greis = Odin).
Das ODING konnte als Heilige Schrift im buchstäblichsten Sinne sowie als Organismus des Weltgeistes verstanden werden. Jede der 24 Runen ist ein eigenständiges Mittel zur Kommunikation, doch sie ist auch Einzelteil der 24-gliedrigen göttlichen Geistesmacht. Die ersten 3 Buchstaben fügen sich zu deren geheimem Namen zusammen. Aus seinen 3 Energiegrößen, 3 Grundelementen, entspringen alle folgenden Runenwesen. Sämtliche Runen gemeinsam bilden den Gottesleib des Allgeistes. Die Addition aller 24 Buchstabenwerte ergibt 300 mit QS 3, d.h. Geist, Zeit und Allgeistraum. Raum und Zeit - daraus resultierend auch Gott - versinnbildlicht diese Zahlenmetapher, von der Friedrich Schiller reimte („Spruch des Konfuzius“ 1): „Dreifach ist des Raumes Maß, / Rastlos fort ohn‘ Unterlaß / Strebt die Länge fort ins Weite, / Endlos gießet sich die Breite. / Dreifach ist der Schritt der Zeit: / Zögernd kommt die Zukunft hergezogen, / Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen, / Ewig still steht die Vergangenheit.“
Die Zahl 4 - l / - Wasser - irdische Ordnung - „Mond“
Die 4 hat immer auch Bezüge zu irdisch-mondlich-pflanzlich-weiblichen Bereichen. Oswald Spengler schreibt: „Der Mann macht Geschichte, das Weib ist Geschichte. In geheimnisvoller Weise enthüllt sich hier ein Sinn alles lebendigen Geschehens: es ist kosmisches Dahinströmen an sich, und dann doch wieder die Reihenfolge der Mikrokosmen selbst, die das Strömen in sich faßt, schützt und erhält. Diese ,zweite‘ Geschichte ist die eigentlich männliche... Weiblich ist die erste, die ewige, mütterliche, pflanzenhafte - die Pflanze selbst hat immer etwas Weibliches.“ (Oswald Spengler, „Untergang des Abendlandes“, 1923, S. 962) So scheint es leicht verständlich, warum die 4. Rune die Begriffswerte „Wasser und Kraut“ trägt.
Als Ordnungszahl des Stofflichen, Materiellen, nimmt die 4 in Gefügen des Raumes und der Zeit eine auffällige Stellung ein. 4 regelmäßige Körper waren der Antike bekannt: Tetraeder, Oktaeder, Ikositetraeder und Hexaeder (Würfel). 4 Hauptausdehnungen hat der menschliche Lebensraum: Nord, Süd, Ost, West. Die aufgrund menschlicher Anatomie geschauten 4 Weltecken führten zum Quadrat, dem Tetragon, das als Sinnbild der Erde frühen Kulturen geläufig war. So galten die 4 Ecken des aind. Opferplatzes (Vedi) als Nachahmungen des weiblichen Körpers der Erdmutter, der „vierlockigen, schöngestaltigen Jungfrau“. Das irdische Viereck führte geradeso zum Weltenkreuz der Himmelsrichtungen, in dessen Schnittpunkt, im Weltenmittelpunkt, der jeweilige Beschauer zu stehen scheint. (W. Müller, „Kreis und Kreuz – Untersuchungen zur sakralen Siedlung bei Italikern und Germanen“, 1938) Die Biologe entdeckte als konkrete Basis des Lebens die vier Eiweißbasen Adenin, Guanin, Cytosin, Thymin. Auch die neuesten physikalischen Erkenntnisse scheinen sich einer grundlegenden Vierheit unterzuordnen: die Physiker gehen von vier grundsätzlichen Naturkräften aus: Gravitation, Elektromagnetismus, schwache und starke Kernkraft. Die gesamte stoffliche Welt galt aus 4 elementaren Grundbausteinen aufgebaut, die Aristoteles in der Reihenfolge ordnete: Erde (1= ), Luft (2= ), Wasser (4= ) und Feuer (3= ). Der Runenschöpfer setzte aber das aristotelisch 4. an 3. Stelle und erhielt damit eine zahlenmythologisch wunderbare Stimmigkeit. Die Erde galt als mütterlicher Urstoff, die Luft (Luft des Lebens = Atem) erschien schon Aristoteles gespalten in eigentliche Luft sowie Dampf, der zu Wasser werden kann. So durfte es nur logisch gelten, Wasser hinter Luft einzuordnen. (P. Gohlke, „Die aristotelische Prinzipienlehre“, 1954)
Innig verwoben mit irdischen Ordnungsrhythmen ist der „Ordner der Zeit“, der Erdtrabant Mond. Seitdem ihn Menschen beobachteten, trat ihnen die 4-Teilung seiner Phasen entgegen: neuer, zunehmender, voller und abnehmender Mond. Aber auch die Betrachtung jährlicher Sonnenbahnen ließ die Festlegung von 4 markanten Zeitpunkten zu und die Einteilung in 4 Jahreszeiten bzw. Jahresquadranten: zwei Sonnenwenden und zwei Sonnengleichstände. Dass die kosmischen Umschwünge die anhand der Mond- und Sonnen-Zeitmarken abgelesen werden können, auf Erd-, Wasser- und Pflanzenleben von bestimmendem Einfluss sind, war/ist jedem Naturmenschen bewusst. Für diese materielle Welt der Erscheinungen, die der Mensch mit seinen 10 Fingern (be-)greifen kann, steht als Symbol die 4-Zahl (1+2+3+4=10). Doch nicht nur Pythagoreern bedeutete die 4 = „Wurzel und Quelle der Gesamtnatur“, sie steht der urmütterlichen 1 ganz nahe, sie ist Zahl der Weltfrau und Mutter. Es verwundert nicht, dass die aind. Wunderkuh Kamadhenus ebenso aus ihren 4 Eutern 4 Milchströme aussendet, genau wie die eddische Urkuh Audhumbla (Gylf. 5). Nach dem ind.-hinduist. „Mahabharatam“ hat die Weltkuh Surabhi, die aus dem Unsterblichkeitstrank entstand, 4 Töchter. Bei den Altägyptern gehörten 4 Krüge mit Wasser des hl. Sees zur Totenreinigung. Schon Platon (Phaidon 61, 112) zeichnete das mythische Bild der 4 großen Ströme, die die Erde durchfluten: Okeanos, Acheron, Pyriphlegethon und Kokytos. 4 verschiedene Säfte, so wurde gelehrt, bestimmen die Erscheinungsbilder der Menschen: sanguinisch („blutvoll“), cholerisch („gallig“), phlegmatisch („schleimig“), melancholisch („schwarzgallig“).
Ihre Bedeutung als Grundordnungsgröße erweist die 4 auch dadurch, dass Namen der hl. Bücher mit solcher Buchstabenanzahl geschrieben, werden: der ind. Veda („Wissen“), die hinduist. Gita („Gesang“), hebr. Tora („Lehre“) und germ. Edda („Urmutter“). Für den Gläubigen fließt aus ihnen die geistig-seelischen Labung der heiligen Glaubensordnung. Die 4 als tragende Ordnungszahl wird immer wieder herangezogen, auch zur Be- oder Festschreibung von Regelungen menschlicher Gesellschaften. Die altind. Kastenordnung kennt 4 Farbsymbole für: 1. die weißen, weisen Lenker, 2. die roten Beschützer, Krieger, 3. die gelben, gemeinfreien Bauern und Kaufleute, 4. die schwarzen Hörigen.
In spätantiker Philosophie entstand vermehrt die Neigung, in der Trägheit und Untätigkeit der Materie - symbolisiert durch die 4 - geradezu das Böse, Widergöttlich-Stoffliche zu sehen. Das letzte Zeichen der 22 hebrä. Buchstabenreihe ist das Zeichen „tāw“, es trägt den Wert 400; Höheres findet hier keine direkte Ausdrucksmöglichkeit mehr. Bis dahin lässt der hebrä. Gott Jahve die Welt seiner Schöpfung sich entwickeln, deshalb gilt ihr diese Zahlenallegorie als das Unendliche, also äußerste Grenze des Alls in Zeit und Raum. Verständlich, dass dieser „Gott“ den meisten Gnostikern als Materiegötze galt, der die Welt so schlecht gemacht hat wie sie ihnen erschien. Auch die Kabbalisten betrachten den 4. hebrä. Buchstaben als Symbol der „Asijah“, der Welt materieller Erscheinungen. Aufgrund eines spätantiken griech.-jüd. Zaubertextes („Testament des Salomon“) ist davon auszugehen, dass sich nicht nur der 22. hebrä. Buchstabe, sondern auch der 22. des griech. Alphabetes, auf „Besitz / Eigentum / Habe / Vermögen“ bezogen hat. Nach Gesagtem scheint es folgerichtig, wenn diese Qualität der 4 zur Satansziffer wurde. Bestätigend wirkt, dass die älteste Darstellung (17. Jh.) des Teufels im Tarokspiel, 4 Gesichter besitzt. Im Erzgebirge besteht die Anschauung, ein Kind dürfe nur drei Vettern besitzen, der 4. Gevatter sei der Unhold. („Von 0 bis 1001. Das Geheimnis der numinosen Zahl“, 1966, S. 29 f) Der Gleichklang der Worte shi „Tod“ und shi „vier“ hat im Chinesischen dazu geführt, vor dieser Zahl eine Scheu zu entwickeln.
Die Zahl 5 - m / - Kosmos und Mensch - „Hochzeit und Opfer“
Zu den 4 Kardinalpunkten ist nun der 5. als Mittelpunkt, gewissermaßen Nullpunkt der Weltkoordinaten, hinzugetreten () Damit kann der zentrale Standort des vernunftbegabten Weltbetrachters ebenso gemeint sein wie das den 4 Grundstoffen innewohnende „Fünfte Seiende“, das 5. Element, die „Quinta essentia“, der Lichtäther als göttlicher Wesenskern alles Lebendigen. So symbolisiert die 5, wie der Kreis und die 6-Zahl, das Ganze durch das Zusammentreffen von Stoff und Geist, Erde und Himmel -, oder den 4 Himmelsrichtungen mit dem Zentrum, oder den vier großen Weltkräfte mit der Gottheit als zentralen immanenten andauernd weiterwirkenden Schöpfer.
Dieses, durch die 5 ausgedrückte geistig-seelische Weltprinzip, das sowohl im großen Kosmos als auch im kleinen Menschen wirksam sei, wurde mit dem „Menschen“ - in altindischer und hellenistisch-gnostischer Denkweise mit einem göttlichen „Urmenschen“ - gleichgesetzt. Nach vedischem Mythos (Brhadaranyaka-Up. I. 4, 1-4) hatte der mit Brahmans Urkraft wesensgleiche Urmensch Atman zwar die Gestalt eines Menschen, doch war er „so groß wie ein Weib und ein Mann, wenn sie sich umschlungen halten“. Dieses Selbst des Urmenschen zerfiel dann in 2 Teile, aus denen Gatte und Gattin entstanden. Sie hielten Beilager miteinander und wurden die Stammeltern der Menschheit. Die aus solcher Betrachtungsweise herausentwickelten Denkschulen verstanden den „Menschen“ als verkörperten Ausdruck des geistigen Prinzips. Darüber hinaus wurde die große Welt, der Kosmos, menschengestaltig gedeutet, so dass die Welt als Makrokosmos und der Einzelmensch als Mikrokosmos verstanden wurde. Deshalb, auch weil die menschliche Gestalt mit ausgestreckten Armen und Beinen ein Fünfeck bildet, gilt die 5 als Zahl des Menschen. C.G. Jung sagte in „Psychologie und Alchemie“: „Fünf ist die Zahl des natürlichen Menschen, insofern dieser aus einem Rumpf und fünf Fortsätzen besteht.“ Man fand darüber hinaus mehrere körperliche sinnliche und geistige Fünfheiten. Die Haupteingeweide sind: Herz, Lunge, Magen, Leber, Niere. Die Leber dachte man sich als menschliches Zentralorgan und Lebenssitz (altn. lifr „Leben“), sie wurde fünflappig dargestellt, wie ältere Darstellungen ausweisen.(vgl. Magnus Hundt, „Anthropologium de hominis dignitate, natura et proprietatibus“, Leipzig, S. 1501) An Tugenden erkannte man: Fleiß, Mäßigkeit, Güte, Bescheidenheit, Besonnenheit. Die klassischen menschlichen Sinne sind: Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken, Riechen. Die Römer unterschieden 5 Lebensalter: Knabe, Jüngling, junger Mann, alter Mann, Greis. Entsprechend der erwähnten Mikrokosmos-Makrokosmos-Auffassung zählen die altind. Schriften 5-er Reihungen auf. Alles besteht aus Fünfen: Menschliche Reihen umfassen die 5 Atemhauche, 5 Lebenskräfte, 5 Bestandteile des Leibes, 5 große Völker gibt es usw.12 Die hinduistischen Pandavas, die 5 Söhne des Pandu, gelten als Personifizierungen des Guten (Arjuna, Yudischthira, Bhima, Nakula, Sahadeva). Wie die zusammengehörigen Finger einer Hand heirateten sie gemeinsam nur eine Frau, die Draupadi. Die Griechen vermochten diese Sichtweise sogar dem Gleichklang ihrer Begriffe abzulauschen: panta („All“) und pente („Fünf“).
Hochzeitszahl
Strenggenommen kann weder aus der Einheit der 1, noch aus der davon abgetrennten 2, ein Ausdruck des Zahlenreihenbeginnes herausgelesen werden.11 Beiden ersten Zahlen haftet ein androgyner Aspekt an. Erst die 3 galt gemeinhin als uneingeschränkt männliche und die 4 als ebenso klar weibliche Zahl. Ihnen folgt, zumindest seit Platon, die 5, als Symbol der Vereinigung der beiden vorausgegangenen Gegensätze. So gilt die 5 als „Hochzeitszahl“: „Fünf Hochzeitsgäste, keiner mehr und keiner weniger“, steht bei Platon im Timaios (31b. 55c). Solchermaßen verstandene Hochzeit findet im Menschen selbst statt, er ist die verbindende Mitte. Im Menschentum erst ist die Möglichkeit gegeben, dass sich harmonisch Himmel und Erde, Geistiges und Körperliches vereinigen, um sich in glücklicher Weise zu ergänzen. Für diesen gedanklichen Gesamtumfang wurde das Pentagramma, der Fünfstern, als Symbol erwählt. Er hat die Gestalt dreier zu einem fünfspitzigen Stern verschränkter gleichschenkliger Dreiecke (r). Bei den Pythagoreern war es aus genannten Gründen ein Zeichen der Vollkommenheit und Gesundheit. Drudenfuß bezeichnete es der dt. Volksmund; auch zuweilen Alfenfuß. die Drude, die germ. Priesterin und Seherin, fußte auf seinem Weltverständnis und übte aus diesem heraus ihren Zauber. Drückt der 5-Stern doch folgerichtig die Beherrschung der 4 Elemente durch den Geist (des Menschen) aus und muss somit auch verwendbar erscheinen, die Schar der Elementargeister zu bannen. So fand es zauberischen Gebrauch als „Dämonenriegel“, der böse Geister abhält ins Haus einzudringen. Das Zeichen findet sich im 13 Jh. auf stattlicher Anzahl von Münzen aus Frankreich, Dänemark, Goslar, Braunschweig, Pommern. (F. Friedensburg, Die Symbolik der Mittelalter-Münzen 1.Teil, 1913, S.26) Im Jahre 1699 berichtet ein Chronist aus dem Erzgebirge: „Drutten Figuren siehet man an Thüren oder in Wiegen der kleinen Kinder aus Aberglauben angeschrieben.“ Auch Johannes Prätorius wusste um diesen Brauch, bei ihm heißt es: „Daher solcher Aberglauben noch bey etlichen Weibern, daß sie solch Heydnisches Zeichen des Druyden-Fußes oben und unten an die Wiegen mit eingelegtem Holz oder Farben machen, wider der Hexerey.“ Selbst im Paderborner Dom findet sich das Pentagramm mit der Spitze nach unten als steinerne Maßwerksarbeit links vom Chor oben eingebaut; in der Heilig-Geist-Kirche zu Wismar, unmittelbar vor dem Altar eingeritzt in eine Grabplatte. Der aufwärts gerichtete fünfzackige Stern gilt allgemein als Zeichen für geistiges Streben und Bildung, während er abwärts gerichtet ein Symbol der Zauberkunst, schwarzen Magie und des Todes sein soll.
Nehmen wir die Runensprache genau, so beschreibt sie den Menschen in seiner realen Existenz als ein Geschöpf welches aus zwei getrennt lebenden Anteilen besteht, die zusammengedacht werden müssen, sobald man „den Menschen“ oder „die Menschheit“ bezeichnen will: Der Mensch besteht aus Frau und Mann. Genau dies demonstrieren die Runen: Es kann die Mannus-Mensch-Rune entweder aus 5 urstofflich-mütterlichen Anteilen (1 + 4 ) entstehen, dann ergäbe diese Zusammensetzung den Frau-Mensch. Oder sie erwächst aus 5 geistväterlichen Anteilen (2 + 3 ) um den Mann-Mensch zu bilden. In der indisch-iranisch geprägten Lehre des Mani besitzt der Urmensch eine Rüstung von 5 Lichtelementen, die sein Selbst ausmachen, seine Seele bilden. Ein manichäischer Hymnus nennt sie die 5 „Amesha Spentas“, die 5 Erzengel (im Zorastrismus sind es 6). Diese Fünfheit fällt aber in die finstere Materie, von der sie verschlungen wird. Dadurch kommt eine Vermischung von 5 Licht- und 5 Finsterniselementen bzw. Geist- und Stoffpartikeln zustande. Wer diese weit verbreiteten Spekulationen mit einer leib- und frauenfeindlichen Haltung verband, kam leicht zu schlimmen Fehlschlüssen, wie sie auch der jüd. Gnostiker Jesus seinen Anhängern predigte. Diese ins Christentum einmündenden Sektierer meinten die Erlösung der Menschheit sei zu erlangen durch Abstoßung der „5“ des stofflich-weiblichen Menschheitsteiles zu Gunsten der „5“ des lichtväterlich-geistigen Anteiles. Dies kommt in vielen frühchristl. Textstellen zum Ausdruck, z.B.: „...oftmals hat jemand viel Geld in ein wertloses Werk geworfen. So verhält es sich auch mit der Seele. Sie ist ein wertvolles Werk, und sie geriet in einen wertlosen Leib“. (NHC II,3 – „Phillipus-Evangelium“, 22) Frauen sollen wie Männer werden.
Opferzahl
Neben der Betrachtungsweise der 5 unter dem Aspekt von Mikrokosmos = Makrokosmos sowie als Vereinigungs-, Liebes- und Hochzeitszahl steht, widersinnig erscheinend, ihre Bedeutung als Opferzahl. Jedoch: „Die In-Eins-Setzung von Mensch und Kosmos, ursprünglich offenbar in Form eines Menschenopfers dargestellt, ist vom Veda und Iran bis zu Germanen und Chinesen nachweisbar.“ 3 Er, der Urmensch, der Gottmensch, war der Erstling derer, die sterben und wiederauferstehen; durch sein Leibesopfer wurde die Welt, und jedes dem großen, aus Urzeiten herrührenden Vorbilde gemäß nachvollzogene Hochopfer dieser Art hat welterhaltende Wirkung. So gemahnt die Zahl 5 (6) an jegliches für das weltliche Sein erbrachte Menschenopfer. Folgerichtig sprachen auch Ausgestalter des Christenglaubens bald von „5 Momenten aus dem Leiden Christi“, und bezeichneten die symbolische Rose mit 5 Blättern: „5 Wunden Christi“, dann überhaupt: „heiliges Blut“. Da man den gemarterten Erlösergott (Dionysos-Christos) auch mit dem Weinstock und dessen Weinbeeren verglich („Ich bin der Weinstock und das Leben“), die ja geschnitten und zertreten werden müssen bevor sie den lebensstärkenden Begeisterungstrank hervorbringen, heißt es: „Wieviel Kerne sind der Weinbeer angemessen ? Es schweben 5 darin, und dieses ist ihr Sinn: Freude, Schönheit, Wahrheit, Weisheit und Vergessen.“ Es wirkt unglaublich, doch im bronzeztl.-nord. Fundmaterial finden wir den göttlichen Opferstier im Felsbild Kasen/Bohuslän (vgl. Abb. 47) mit dem 5 Opfer-Punktezeichen vor dem Haupt, ebenso wie im völkerwanderungszeitlichen Geleitmünzenbild „Sejeslev-Klitter-C“ (vgl. Abb. 48), wo die 5 Opfer-Punkte zwischen die Stierhörner plaziert wurden.
Goldener Schnitt - Göttliche Maße
Die Griechen glaubten erkannt zu haben, dass das Kleinste wie das Größte, Mensch und All, nach den gleichen Maßen konstruiert wäre, nämlich den Streckenverhältnissen die sich im Fünfeck („Oktogon“) oder Fünfstern („Pentagramm“) erkennbar wiederfinden. Erstmals beschrieb diese Maßverhältnisse der Mathematiker Euklid (330-275 v.0) unter dem Namen „proportio habens medium et duo extrema" („Teilung im äußeren und mittleren Verhältnis"). Die idealen Proportionen des menschlichen Körpers - als Ganzes, wie in seinen Teilen - sind ebenso danach bemessen wie jene der Natur, die das menschliche Auge als besonders stimmig und deshalb als angenehm empfindet. So stellt der Mensch selbst das „Maß aller Dinge“ dar! Wir nennen diese harmonischen Größenverhältnisse Goldener Schnitt, der eine Strecke so teilt, dass der kleinere Teil sich zum größeren verhält, wie der größere zur Gesamtstrecke. Das ist ein Streckenverhältnis zueinander von jeweils 1:1, 618. Seit dem 16. Jh. spricht man auch von der „divina proportio“(Göttliches Verhältnis). Da im Pentagramm also jede Linie mit einer anderen im Verhältnis des Goldenen Schnittes steht, ist es das „goldschnittigste“ Zeichen. Ein asymmetrisches Teilungsverhältnis, das seinen Prinzipien folgt, wird vom Betrachter ebenso als natürlich, das heißt in Übereinstimmung mit der Natur, bewertet. Bei Vergrößerungen oder Verkleinerungen nach den Regeln des Goldenen Schnittes, bzw. dem Gesetz des Pentagramms, würde sich eine Zahlenreihe ergeben, die der Antike schon bekannt gewesen sein muss, erneut aber erst wieder in der Renaissance durch den Mathematiker Leonardo von Pisa, genannt Fibonacci, beschrieben wurde. In dieser sog. „Fibonacci-Reihe“ ist jede Zahl Summe ihrer beiden unmittelbaren Vorgängerinnen: 1,1,2,3,5,8,13,21,34,55,89,144,... In dieser Zahlenreihe, könnte man sagen, liegt jener Schlüssel der Goldenen-Schnitt-Phänomene in der Natur. Ihrem Maßgesetz gehorchen die Windungen vieler Schneckengehäuse und betrachtet man die Spiralen am Boden von Kiefernzapfens, oder die Blütenteller von Korbblütlern, auch die Kerne im Fruchtstand der Sonnenblume, so stößt man auf die Zahlen der „Fibonacci-Reihe“. Wachstumsprozesse von Pflanzen folgen sehr oft einer spiraligen Ausdehnung.
Die Spirale ist das große symbolhafte Naturmuster des Lebens in seiner endloser Ausdehnung oder Zusammenziehung. So wie sie die Natur uns vielfältig vorführt, lässt sich ihr Wachstum nach dem „Goldenen Schnitt“ konstruieren: Man beginnt mit dem Entwurf eines Goldenen Rechtecks (in den Proportionen des Goldenen Schnittes). Ein Quadrat wird vertikal in der Mitte in zwei Rechtecke geteilt. Mit der Diagonalen eines der beiden als Radius führt man einen Kreisbogen nach außen bis zur Basis-Linie, womit die kurze Seite des gesuchten Goldenen Rechtecks gefunden wäre; seine lange Seite entspricht der Kantenlänge des Quadrats. Im gefundenen Rechteck zeichnet man nun mit dem Maß seiner kurzen Kante ein Quadrat und einen Kreisbogen darin mit dieser Kante als Radius. Führt man den beschriebenen Vorgang stetig fort, entstehen weitere kleinere Rechtecke, in deren Quadranten die gezogenen Viertelkreisbögen sich zu einer sog. logarithmischen oder Goldenen Spirale zusammensetzen, die sich ohne Anfang und Ende unendlich nach innen und nach außen fortsetzen kann. Auf diese Weise ermöglicht der Goldene Schnitt aus sich heraus eine gesetzmäßige unendliche Ausdehnung oder Kleinteilung. Auch das Pentagramm ermöglicht, seinen eingegebenen Maßen folgend, sich endlos zu vergrößern und zu verkleinern. Es erschien den Alten, als hätten sie mit dieser Kenntnis den Werkplan des Schöpfergottes gefunden.
Wurde der Mensch/Urmensch mit seinem 5-er-Prinzip als geistiger Prototyp des Kosmos gedacht, dann müsste die 5 schon deshalb als ein Charakteristikum zeugender Lebensfülle gelten. Auch unabhängig vom geheimen Wissen pythagoreischer Bruderschaften, mathematisierender Priester und Runenmeister könnte ein Blick in die belebte Natur dies dem Beschauer bestätigen: Ranunculaceen und Rosaceen, Frühlingsblumen und Obstbäume, führen im Frühling einen förmlichen Ausbruch der Fünfstrahlornamentik ihrer Blüten vor. Und auch mathematisch ist die 5 eine produzierende Zahl, eine Zirkularzahl, da sie sich, wenn sie potenziert wird, in der letzten Stelle immer wieder selbst erschafft.
Verwandtschaft und Austauschbarkeit von 5 und 6
Es lässt sich aus den Runen ein zahlenentwicklungsgeschichtliches Phänomen ablesen: 5 und 6 waren schon in früher Zeit als Kosmoszahlen von sehr gleichem Sinngehalt, wobei die 5, die ältere, von der 6-Zahl verdrängt wurde.14 Die 5 beinhaltet aber schon die 6 und weist gewissermaßen selbst auf diese hin: 1+2+3+4+5=15 mit QS 6. Um genau diese sinnbildliche Ähnlichkeit von 5 und 6 anzuzeigen, gab der Runenschöpfer seiner 5. Rune ein Symbol, welches sich zum 6-Stern erweitern lässt, also als Bildkürzel des Hexagramms zu verstehen ist (vgl. Abb. 2); und die 6. Rune lässt sich ihrerseits zum 5-Stern, zum abwärts gewendeten Pentagramm ausdehnen. Verbindungs-, bzw. Ehe-Symbole sind 5 und 6 gleichermaßen, bilden sie sich doch (durch unterschiedliche Rechenprozesse) aus dem Zusammengehen der erste geraden und ersten ungerade Zahl: 2+3=5 und 2x3=6. Im geheimnisvollen, das kosmische Gesetz des Goldenen Schnitts hütende Pentagramm, sind fünf griech. Alphas zu erkennen, weshalb es auch „Pentalpha“ genannt wurde. Aus runischem Verständnis sind ebenso 5 Asen(Wodin)-Runen, mit dem Wert 21, darin zu erkennen: 5X21=105 mit QS 6. west der geistgöttliche Ase also 5 mal im kosmischen Pentagramm, west er gleichermaßen in der 6 des Hexagramms.
Nach hinduistisch-buddhistischem Verständnis des ineinandergeschlungenen 6-Sternes symbolisiert das nach unten weisende Dreieck (Ñ) das Weibliche (im Runenzeichen linker Anteil), es entspricht der Fuse/Vulva (hindu. Yoni-Shakti), das nach oben zeigende Dreieck (D) hingegen das Männliche Vah (runisch: rechter Teil), dem Zagel/Phallus (hindu.: Lingam-Vahni). Doch wir erkannten: dieses geistige 5-er Prinzip, das im Menschen Gestalt wurde, stellt sich nicht allein als Mittler, als Verbinder der Gegensätze dar, sondern auch als eine Energie des unruhigstrebenden, ungebändigten, revolutionären Menschen, der jede Ordnung der Quaternität immer aufs neue sprengt. Dieser beunruhigende, gefährliche Aspekt der 5 drückt sich in der antiken Geschichte vom Pythagoreer Hippasos (um 470 v.0) aus, der den „5. Körper“ entdeckte bzw. behauptete, und dafür angeblich zur Strafe im Meer ertrank. Die Auffindung dieses 5. geometrischen Körpers, des (Pentagondodekaeder, ein von 12 regelmäßigen Fünfecken begrenzter Körper), schien zunächst den Pythagoreern die berechenbar-überschaubare Weltordnung aufzulösen und ins Irrationale zu führen. Ihr Kernsatz lautete: „Alles ist Zahl“, das bedeutete ihnen, dass alles durch ganze „ordentliche“ Zahlen und deren Proportionen ausgedrückt werden könne. Die Existenz von Irrationalzahlen wie dem Faktor 1,618 in den Seitenverhältnissen vom regulärem Fünfeck/Fünfstern, ließ ihr Weltbild wanken. Solche Zahlen, Dezimalbrüche mit unbegrenzter Stellenzahl, sind dem logischen Denken nicht zugänglich, mit der Vernunft nicht erfassbar. Der Goldene Schnitt wird als die irrationalste aller Zahlen bezeichnet. Seine spiralige nichtlineare Dynamik, wie sie in den „Fibonacci-Zahlen“ zum Ausdruck kommt, treibt sich am Übergang zwischen Chaos und Ordnung herum. Drängt sich nicht innerhalb dieses gedanklichen Rahmens die Frage auf, ob der Atombomben bauende Mensch, der „Fünfwertige“, tatsächlich die irrationalste, unberechenbarste Größe im kosmischen Koordinatensystem sein könnte? Hierin findet sich die Begründung, warum ein konstruiertes Modell der kosmischen Ordnung, wie es das Runensystem darstellt, allein auf der 6-Zahl begründet sein darf: Es besitzen zwar beide Zahlen, 5 und 6, jede auf ihre Weise die Qualität einer Rund-, All, Kosmoszahl, doch allein der 6 wohnt auch der Aspekt berechenbarer und damit wahrhaft harmonischer Ordnung inne.
Die Zahl 6 - e / - Das All
Die 6 (vgl. auch Zahl 24) ist eine Symbolzahl des Alls und dessen Gegensatzvereinigung, ähnlich der 5-Zahl. Auch die 6-Form lebt die Natur vielseitig vor, wie in der hexagonalen Kristallform der Schneeflocken und dem idealen Baustein der sechseckigen Bienenwaben. Träger aller lebendigen Gestaltungen unserer Welt ist der Kohlenstoff, seine Ordnungszahl ist 6. Sein Atomkern besteht aus je 6 Protonen und Neutronen, die Atomhülle aus 6 Elektronen. Der ornamentale 6-Zack findet sich bereits auf irdenen Kultgefäßen der Bandkeramiker im 4. Jt. v.0, besonders schön auf den Kumpfen von Rheindürkheim und Rheingewann (Museum Worms).16 Einen derartigen altkret. Siegelabdruck (2.000-1700 v.0) und ein besonders schön gearbeitetes, durchbrochenes Goldblech (Saal XI, Vitrine 151) aus protogeometrischer Periode (1.100-900 v.0) mit jeweils 2 Sternspitzen, die nach oben und unten weisen, zeigt das Archäolog. Museum von Heraklion/Kreta. In der Frühbronzezeit erscheint das Hexagramm als Zierstern von norddt. Gerätschaften17 und goldenen Schalen. Schließlich lässt sich dies Ursymbol auf merowingischen Grabfunden, z.B. einer großen Perle (Starkenburg/Hessen), einer Gewandspange (Museum Nordhausen) sowie auf sächs. und ags. Fibeln des 5. Jh., nachweisen. Die bisher schönsten Funde dieser Art sind die völkerwanderungszeitl. silberne Schalenfibel aus einem Frauengrab aus Ostbense (Ldkr.-Wittburg/Weser-Ems), mit verflochtenem Sechsstern sowie der allamannische Fingerring von Eschenz (Schweiz), mit farbigem Glasfluss eines roten und eines grünen Dreiecks (Polarität: Feuer-Wasser), die sich zum Sechsstern zusammenfügen; inmitten des roten Dreiecks sind 2 zentrische Sonnenkreise eingelegt. (vgl. Abb. ??)
Die älteste idg. Religionsurkunde, der Rigveda 2.27, nennt nur 6 höhere Götter, deren Zahl später auf 12 steigt und bald in ein Göttergewimmel auswuchert. In Zarathustras Religion gibt es 6 Gotteseigenschaften des Ahura Mazdas („Weiser Herr“, vgl. Yasna 44): 1. das gute Denken, 2. die Wahrheit, 3. die Herrschaft, 4. die Fügsamkeit, 5. das Heilsein, 6. das Nicht-Sterben. Der Pythagoreer Empedokles ging von insgesamt 6 Urgegebenheiten aus: „Feuer, Wasser, Erde und der Luft unendliche Höhe“; dazu Liebe und Hass bzw. Anziehung und Abstoßung. Das sind die Urkräfte, die so wie sie uns bewegen auch die Elementen beeinflussen, - meinte er. Neupythagoreische und neuplatonische Schulen, namentlich Jamblichos (6.Jh. n.0), meinten, die Form des Weltalls ist die Kugel; Gott konstruierte das Dodekaeder, das Gebilde aus 12 Fünfecken, und beschrieb dann die Kugel darum. Das Weltallmodell des Dodekaeders hat 60 Ecken. Noch im spätheidn. hochmittelalterl. germ Ritus behielt die Zahl ihre Bedeutung: Der arab. Reisende Ahmad Ibn Fadlan beschrieb im 10 Jh. die Bestattungssitten der germ. Waräger an der unteren Wolga. Vor dem Leichenbrand an Bord eines Schiffes, vollzogen 6 Männer die letzten rituellen Handlungen. (H.-J. Graf, Orientalische Berichte des Mittelalters über die Germanen, Eine Quellensammlung, 1971)
Verwandtschaftlichkeit von 6 und 5
Die 6-Zahl stellte die ältere, gleichbedeutende 5 in den Schatten. Das ist insofern verständlich, als die 5 zahlenmythologisch zur vollkommeneren 6 hinführt und somit verborgen in ihr west: 1+2+3+4+5=15= QS 6. Auch ist 6 die Zahl des ewigen Kreislaufs, denn 6-fache Verdoppelung (1-2-4-8-16-32-64) führt in QS von 64 wieder zum Ursprung der 1 () zurück. Zwei zum 6-Eck verschlungene gleichseitige 3-Ecke (A oder?), also zum Symbol der vereinigten weiblichen und männlichen Prinzipien, kennt die dem Veda-Glauben entwachsene Hindureligion als heiliges Yantra, 15 Ebenso ist das Zeichen im gesamten hellenistischen Kulturkreis auffindbar, besonders in der hermetisch-mystischen Tradition bis - wie erwähnt - ins völkerwanderungszeitliche Germanien hinein. Seine Bedeutung ist klar als Hochzeit von Oben und Unten bzw. Rechts und Links, Erde und Himmel, Geist und Stoff, Feuer und Wasser zu definieren. Deshalb war es, vereinzelt bis heute erhalten, in Deutschland ein mittelalterliches Emblem jener Wirtshäuser, welche „Feuer-Wasser“ (Branntwein) ausschenken durften. Im Altind. bedeutete es die Vereinigung des schöpferischen Vishnu-Dreiecks mit dem zerstörerischen Shiva-Dreieck, also die Schöpfung und Vergänglichkeit der materiellen Welt. Die alchemistischen Schriften nutzten zur Erklärung der Prozesse heidn.-antike Gleichnisbilder. Das „Rosarium Philosophorum“ (Erstdruck Frankfurt, 1550), war eines der beliebtesten Bücher dieser Gattung in früher Neuzeit, mit 21 Holzschnitten. Es zeigt einprägsam im zweiten Bild (Abb. .....) den Sechsstern als Symbol für die „coniunctio Solis et Lunae“, den Hieros-Gamos, also der Vereinigung der Gegensätze von Mann und Frau, Bräutigam und Braut, König und Königin, Apollo und Diana, - als Einkleidungen der Urgegensätze.
So ist es nur folgerichtig, wenn in den altertümlichsten Tarotspielen (ca. Mitte 15. Jh.), dem „Venezian.-T.“, „Visconti-Sforza-T.“ sowie „Bologna-T.“, die 6. Karte „Die Liebenden“ oder „Die Liebe“ heißt, während die Karte dieses Namens im „Minchiate v. Florenz“ die 5. ist. Da sehen wir wieder jene Ambivalenz und die Austauschbarkeit zwischen 5 und 6. Auch aus dem gezeigten Holzschnitt des „Rosarium Philosophorum“, ein zahlenmystisches Schlüsselbild ersten Ranges, ist sie herauslesbar: Drei Grundkräfte vereinigen sich in den Gestalten von Männlichem, Weiblichem, dazu dem Geistvogel der göttlichen Belebungskraft. Er und Sie reichen sich einander den Blütenstengel mit jeweils zwei Blüten (4 Elemente: zwei männliche, zwei weibliche) zur Kreuzung/Mischung entgegen. Der Geistvogel, der aus dem göttlich-vollkommenen Sechsstern herabfliegt, gibt die segnende 5. Blüte (Quinta Essentia) hinzu, damit sich das hexagonale Stengelgebilde der Allvereinigung bilden kann. (C.G. Jung, Die Psychologie der Übertragung, 1946, S. 78ff) Dieses sich kreuzende Urpaar entspricht dem Bildkürzel der 5. Mannaz-Rune (m) ebenso wie beispielsweise dem 6. Blatt des „Visconti-Sforza-Tarot“, auf dem sich Mann und Frau die Hände reichen während der Vereinigungsgeist (Cupido) über ihnen seinen Pfeil nach dem Liebespaar abschießt. Unmissverständliche Aufklärung über den Symbolismus um die Gegensatzvereinigung, Mensch und Hexagramm bietet auch eine Darstellung in dem alchemistischen Werk von Michael Majer „Scrutinium Chymicum“ (geschrieben 1619, Erstdruck Frankfurt, 1678), das zur Bibliothek der Leopoldina Halle/Saale gehörte, doch (neben 8.000 anderen dort von den Russen gestohlenen Werken) zu den kriegbedingten Verlusten zählt. Es handelt sich um das „Emblema XXI“, das die Quadratur des Zirkels, die zwei Geschlechter zur Ganzheit zusammenfassend, zeigt. Das Menschenpaar steht inmitten des Quadrats (Sinnbild der 4 Elemente) und des Dreiecks (Vergeistigung), rundherum wird ein Zirkelschlag der Allvereinigung geführt; dessen Plangedanke sich im linken Bildvordergrund als „Hexagramm im Kreis“ verdeutlicht findet. Das „Rosarium Philosophorum“ verspricht: „Mache aus Mann und Frau einen runden Kreis und ziehe aus diesem das Viereck und das Dreieck aus. Mache einen runden Kreis, und du wirst den Stein der Philosophen haben.“ (C.G. Jung, Psychologie und Alchemie, 1944, S. 182f) Wer diese Gedankengänge durchschaut, hat auch die Grundage der Runenzahlenordnung begriffen, denn die Alchemie benutzte nichts anderes als die Sprachbilder spätantiker Religion. Ihre Verständniskontinuitäten bezog sie direkt und bruchlos aus derantiken Alchemie, die sich vom 1.-7, Jh. n.0 datieren lässt. Praktiziert wurde sie in Tempeln und deren Werkstätten, aber auch von profanen Männern und Frauen. Bereits hier gab es ein gegenseitiges Durchdringen von Theorie und Praxis: man verband den chemisch-technischen Bereich mit einem religiösen Weltbild. Das praktische Ziel war die Transmutation („Umwandlung“) unedler Metalle in Gold oder zumindest Silber -, spirituell wurde gleichzeitig die Vervollkommnung des Geistes und die Läuterung und der Seele des Alchemisten angestrebt.
Kosmogonie
Gilt die 6 als runische Rundzahl, dann muss auch die runische Genesis ihren Weltwerdeprozess mit 6 Schritten abschließen:
1. () Aus urstofflicher Substanz der Gottheit selbst entstand die vielnamige Mutter Erde, welche alle Geschlechter der Länder gebiert und wieder aufnimmt.
2. () Atmosphäre entwickelte sich: Aer (Luft) - jenes Element, welches die Inder Brahman und die Griechen nach Ausweis Epicharmos (5. Jh. v.0.; Fragm. 53) Zeus/Jupiter nannten. Mit ihm, dem Tagvater, wurden Licht und Finsternis.
3. () Der Sonnensohn (aind.: männl.), das Himmelsfeuer, begann, seine heilenden Kräfte auszusenden, um der Welt Wonne zu künden. Nach indogerm. Sichtweise sind Tag und Sonne zwei verschiedene Wesen: Der „Tag“ dämmert herauf, dann erst erscheint die Sonne.18
4. () Der Erde Tochter, die Mondin, wurde geboren, die Herrin der Weltfeuchte. Mitsamt dem aus ihr herabrieselnden Regen fielen die Fruchtbarkeitskeime der Pflanzensamen zur Erde und riefen Wachstum allen Krautes hervor. „Der Mond ist aus Wasser und Pflanzen zusammengebracht“, sagt der Veda (die iran. Schriften sprechen vom „Pflanzenregen“); der Mond ist die Quelle des Lebens und Beherrscher der Gewässer. Von ihm kommen Tau und Regen, die zum Saft der Pflanzen werden. Seine eindrucksvollsten, wohltätigsten Manifestationen auf Erden sind 4 große Ströme.19
5. () Manu/Mannaz/Mannus, der doppelgeschlechtliche Urmensch nach dem Grundbild der kosmischen Urkraft, hervorgegangen aus den Wassern, zerfiel in seine Teilwesenheiten Mann und Männin; nach der Edda wurden sie Asker und Embla geheißen.
6. () Niemals kann in dieser Welt etwas geschaffen sein, bevor nicht der Gedanke davon vorhanden war, so lehrte Platon. Deshalb muss das Musterbild, also die Planidee vom Menschen (dem empfindungsfähigen, vernünftigen, sterblichen Lebewesen), am Anfang stehen. Nachgeordnet, an 6. Stelle, folgt mit dem stellvertretenden Ross, die irdische Tierweltentwicklung.
Zwar signalisierte der Runenschöpfer erkennbar, dass 5 und 6 untereinander austauschbar sind, und doch setzte er ganz bewusst das Ross auf die 6. und nicht auf die 5. Werdestufe des gegensatzvereinten Urmenschen. Seine Beweggründe sowohl für die Deutlichmachung der Austauschbarkeit wie auch für die von ihm festgelegte Reihenfolge könnten zusätzlich von indogerm. Urmythen bestimmt gewesen sein. Die Veden lassen aus den Wassern () den Urmenschen () geradeso wie das Ross () entstehen. Beide wurden als kosmogonische Gleichnisbilder verwendet. Die Körperteile des Urmenschen beschrieb man ebenso als Bausteine der Welt wie die des Rosses. Das Pferdeopfer (Asvamedha), mochte es noch so heilig sein, musste hinter dem noch erhabeneren Symbol des Gott-Menschenopfers (Purushamedha) zurücktreten. Bei allen vedischen Aufzeichnungen führt der Mensch die Reihe an, unmittelbar gefolgt von der Rossallegorie: (>). Ein weiterer Grund aber ist der ethisch gar nicht hoch genug zu veranschlagende Veda-Mythos von der Entstehung der Tiere. Die Tiere sind hier nicht jene fremden, schlecht gelungenen, deshalb auch leicht zu verwerfenden „Probestücke“ der Entwicklung, die zur „Krone der Schöpfung“ führen, sondern der Urmensch selbst, als personifizierte Idee sterblichen Lebens, erschafft seine Menschenkinder ebenso, wie er in einem spielerischen Anflug die ganze bunte Welt der Mitgeschöpfe hervorbringt, die der Mensch also als seine eigenen - wenn auch unvollkommeneren - Kinder ansehen darf.
Solch eine Perspektive, von hohem pädagogischem Wert, könnte schon zum Grundverständnis eines ehrwürdigen Verhältnisses zwischen Menschen und Tieren verhelfen. Nach dem Rigveda (10. 90,10) folgten als erste Geschöpfe nach Erzeugung des Menschenpaares Stute und Hengst. Darüber hinaus galt das Ross schon ur-idg. als heiliges Tier der Lichtgottheit und von gleicher Substanz wie des Schöpferherrn Prajapati eigene Natur (Satapatha Brahmana 13.1,1,1). Entsprechend der göttlichen Raum-Zeit-Identität musste der Runenvater in der Gesamtheit seiner 24 (bzw. keimhaft quersummen-verdichteten 6) Kosmoselemente das geistige Bild des rasenden galaktischen Hengstes () gesehen haben, wie er schon im bronzezeitl.-skand. Felsbildgut als sonnen-zeit-spiraliges Allross erscheint. (vgl. Abb. 19)